Warum heute noch Briefe schreiben?
Das Schreiben von Briefen gilt in der heutigen Zeit als retro und liegt daher voll im Trend. Die Menschen sehnen sich immer mehr nach Langsamkeit, nach Entschleunigung und Ruhe.
Zeit schenken
Allein die Vorbereitungen für das Schreiben eines Briefes benötigen bereits einige Überlegungen: Was schreibe ich, auf welchem Papier schreibe ich, wie soll der Text angeordnet sein und mit welchem Schreibgerät verfasse ich den Brief?
Einen Brief zu schreiben braucht Zeit: Einerseits, weil die Füllfeder nicht so schnell zu führen und die Hand nicht in Übung ist, und andererseits, weil die Gedanken Zeit zum Ordnen brauchen.
Ein Brief wird erst durch die richtige Aufteilung von Worten und Zeilen zum Kunstwerk. Auch das muss vorab durchdacht werden. Wer eine schöne Schrift hat, punktet auf jeden Fall. Dabei kann aber die Handschreiberei aushelfen!
Passende Umgebung
Die Umgebung sollte für das Schreiben eines Briefes passend gemacht werden: Neben ausreichend Platz, einer geraden Schreibfläche, Muße und Ruhe braucht es auch das geeignete Papier und das richtige Schreibgerät. Das alles macht das Schreiben zu einem kleinen Meisterwerk.
Außerdem macht es Sinn, vor dem Losschreiben darüber nachzudenken, was man schreibt. Denn im Gegensatz zum elektronischen Pendant - dem Handy, Laptop, Tablet oder PC - fehlen Korrekturprogramme und Rechtschreibprüfungen. Der Verfasser merkt gleich, dass es nicht so einfach ist, seine Gedanken in Worte und Sätze - die, erst einmal geschrieben, schwer zu korrigieren sind - zu fassen.
Spiegel der Seele
In einem Brief sind die momentanen Gefühle und Empfindungen festgehalten. Das gerade Erlebte wird zu Papier gebracht, noch frisch in Erinnerung und angereichert mit allen Gefühlen. Wer Jahre oder auch Jahrzehnte später diesen Brief liest, erfährt die tatsächlichen Sinnesempfindungen des Verfassers, die weder durch Erzählungen, noch durch verblasste Erinnerungen verfälscht wurden.
Ein Brief gibt, wenn der Schreiber es zulässt, dessen Gemütsverfassung wieder. Der Leser erkennt es am Schriftbild, an den Worten und der Stimmung des Briefes. Nicht umsonst besagt das Sprichwort, dass man auch zwischen den Zeilen lesen muss!
Ablenkung ausgeschaltet
Beim Schreiben eines Briefes wird der Schreiber im Gegensatz zur digitalen Variante weder durch Werbung noch durch hereinkommende E-Mails noch durch aufpoppende Nachrichten abgelenkt. Er kann seine Gedanken ganz auf eine Tätigkeit fokussieren.
Bei einer handschriftlichen Nachricht liest auch keiner mit und sie wird auch nicht für die nächsten Jahre im World Wide Web gespeichert und zu finden sein.
Der Brief ist und bleibt eine Nachricht vom Verfasser an seinen Empfänger. Er ist ein Gespräch zwischen zwei Menschen. Der Empfänger entscheidet selbst, wann er die Botschaft liest. Ob er sich zurückzieht, ob er noch warten möchte oder ob er sich gleich voller Freude auf die geschriebenen Zeilen stürzt.
Warum werden Briefe aufgehoben?
Dazu gibt es viele Überlegungen, vielleicht ...
...weil man sich das Empfinden beim Lesen in Erinnerung rufen will?
...weil man sich die Worte immer wieder ins Gedächtnis rufen möchte?
...um sie der Nachwelt zu erhalten?
...um an einen geliebten Menschen zu denken?
...um Erinnerungen zu bewahren?
...um etwas Handfestes von einem geliebten Menschen aufzubewahren? Denn schließlich hielt er das Stück Papier ja auch in Händen!
Diese Überlegungen stellen nur einen Bruchteil der Gründe dar, weshalb Menschen Briefe aufheben...
Selbst das Versenden braucht Zeit!
Schon wieder braucht es Zeit, denn die Botschaft landet ja nicht gleich beim Briefpartner. Selbst das persönliche Überbringen verlangt Zeit und die Post benötigt auch ein paar Tage.
Individuelles Geschenk
Als Belohnung für die Mühen wird der Brief vom Empfänger aufmerksam gelesen, als Wertschätzung empfunden und in vielen Fällen auch aufgehoben.
Wer kann sich nicht an die mit einer Schleife verbundenen Liebesbriefe aus seiner Jugend, aus Filmen oder von seinen Großeltern erinnern?
Das macht das ganze Unterfangen auch romantisch und aufregend. Einfach weil es Zeit braucht, die heute keiner mehr hat.
Einen Brief zu schreiben ist ein Geschenk an Lebenszeit!
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