Schreiben - Streicheleinheiten für die Seele
Mit der Hand schreiben entschleunigt
Unsere Welt dreht sich immer schneller und wir uns mit ihr. Die digitale Revolution hat nicht nur unsere Wirtschafts- und Arbeitswelt verändert, sondern auch unser öffentliches und privates Leben ist heute ein komplett anderes als noch vor 20 Jahren.
Ständig sind wir online, immer unter Strom. Unsere Finger finden keine Pause, sind quasi mit PC-Tastatur und Smartphone verschmolzen. Wen wundert‘s da, dass wir uns nach Langsamkeit und Entschleunigung sehnen? Nach Möglichkeiten, dem digitalen Rausch zu entrinnen.
Das Handschriftliche steht wieder vor der Tür
So manch einer sucht deshalb bewusst nach einem Hobby, das nichts mit Internet oder Computerarbeit zu tun hat. Nicht umsonst verzeichnen Handwerk und Handarbeit seit einiger Zeit regen Zulauf: Das Schreiben von Hand passt daher gut ins Bild.

Ganz gleich, ob Schönschreiben nach den Regeln der Kalligrafie, Buchstaben-Illustrieren à la Handlettering, Tagebuch schreiben oder das Verfassen von handschriftlichen Briefen sowie Postkarten – die Von-Hand-Schreiber nehmen laufend zu.
Für die Wiener Psychologin Mag. Petra Erasin kommt das nicht überraschend. Sie sieht darin einen klaren Gegenstrom zur digitalen Kommunikation: „Jeder ist gewohnt, mit der PC-Tatstatur zu schreiben oder seine E-Mails auf dem Smartphone zu tippen. Da ist es schön, den unmittelbaren Erfolg der Handschrift zu sehen. Bei jedem Strich, den ich mache, merke ich: Da entsteht etwas, ich erschaffe etwas. Das erzeugt ein gutes Gefühl.“
Oase des Glücks: Erinnerungen an die Kindheit
Zudem kehren wir mit dem manuellen Schreiben der Expertin zufolge zu unseren Wurzeln zurück: „Schreiben haben wir in der Volksschule gelernt, also sehr früh. Indem wir mit der Hand schreiben, werden Kindheitserinnerungen wach.“ Oder anders formuliert: Wir kehren in eine Welt zurück, in der noch alles in Ordnung war - weit weg vom Alltag und Stress. So entsteht eine kleine Oase des Glücks.
Schreiben ist wie Meditation
Abends nach einem stressigen Arbeitstag sehnen sich viele nach einem Ausgleich - nach einem schöpferischen Gegenwert.

Da wundert es nicht, dass viele als Hobby manuelles Schreiben gewählt haben. Schöne Papeterie und tolle Farben sowie Schreibstifte, die gut in der Hand liegen, geben nicht nur den Fingern ein gutes Gefühl. Es hilft herunterkommen, sich zu beruhigen und "leiser" zu werden. Wenn man dann zu schreiben beginnt, versinkt man nach kurzer Zeit in einer Welt aus Stiften und Papier, Kreativität und Fantasie. Schreiben ist somit eine Meditation, in der Raum und Zeit verblassen.
Schreib-Flow und Stressbewältigung
Jede kreative Tätigkeit hat die Tendenz, einen Flow auszulösen. Dieses beglückende Gefühl des vollkommenen Aufgehens in einer Tätigkeit, welche uns wie von selbst von der Hand geht. Wir schreiben selbstvergessen vor uns hin, sind völlig entspannt und gerade mittendrin in unserem Werk. Dann sind plötzlich drei Stunden vergangen und wir fragen uns: Wo sind sie hin?
Glücklich ist, wer diesen erstrebenswerten Zustand erreicht, so Psychologin Ersasin. „Der Flow reguliert unseren Puls, die Atemfrequenz, senkt den Blutdruck und wirkt sich positiv auf unseren Schlaf sowie unser Immunsystem aus.“ Das Flow-Erlebnis entspannt also, reduziert Stress und stärkt so unsere Gesundheit. Wir fühlen uns nicht ausgelaugt, selbst wenn wir lange geschrieben haben. Im Gegenteil, wir tanken damit Energie – auch das bringt der Flow mit sich.
Streicheleinheiten für die Seele

Obendrein streichelt der Flow die Seele. „Unsere beruflichen Tätigkeiten heutzutage geben uns oft sehr wenig Feedback. Der Flow hingegen signalisiert aber: Hey, da entsteht etwas durch dein Tun! Das hat Sinn. Und du machst das gut!“
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